Sonntag, 7. Oktober 2007

the dark side of n.

eine mit gummibändern verschlosse pappschachtel im kühlschrank. inhalt: plastiktütchen mit weißem pulver; einmal 97%, einmal 34%. 'du brauchst keine schlaf mehr und bist sechs mal so leistungsfähig'.
das kommt aus dem mund von jemandem, der vor wenigen monaten unter einfluss solchen pulvers und anderer drogen einen blinddarmdurchbruch erlitten hat: der eiter hatte sich bis unter die rippen vorgearbeitet, sein überleben pures glück in letzter sekunde, die wie ein unkontrollierter riss wirkende narbe misst 35 zentimeter von der leiste bis unter den rippenbogen. keine antwort auf die frage, was er denn alles 'geleistet' hat dank und unter einfluss dieses pulvers. schweigen. dann ein hinweis, von wem ich das zeug bekommen kann. 'mein kumpel stellt das selber im labor her; das ist nicht dieser gestreckte scheiß von der straße, das ist richtig gute qualität'. er sagt das, als sei er stolz drauf, einen freund zu haben, der so gut für ihn sorgt. 'richtig gute qualität', heißt das noch weniger schlaf? noch mehr leistungsfähigkeit? hält der zustand länger an? oder dauert es bloß länger, bis die nase zu bluten anfängt?
auf einem frühstücksbrettchen hat er zwei lines zurechtgeschoben; lächelnd hält er mir einen abgeschnittenen trinkhalm entgegen. erzählt mir was von 'vertrauen', 'ich pass schon auf dich auf' und 'alle hier machen das'.
plötzlich fällt mir ein gespräch ein, dass ich auf der party vor zwei wochen mit s. hatte. 'das werden alles mal koksabhängige', sagte er und ich war irgendwie empört über diese unterstellung. aber in der zeit danach hab ich es selbst mitgekommen: dieses 'hast du was' und das 'wie dosiere ich das'. die dauernd laufenden nasen, die tränenden augen. die extreme partybereitschaft, der wenige schlaf: morgens um neun aus dem club kommen, kurz duschen und dann zur arbeit. klar machen die das alle, wie sonst schafft man sowas. und eigentlich geht es ihnen doch gut damit, oder? ich meine: die sind wirklich nett alle und sie sehen noch nicht mal besonders verbraucht aus.

ich zögere. ich hatte schon immer angst vor allem, was über einen harmlosen alkoholrausch oder einen joint hinausgeht. er lächelt immer noch; 'damit machst du deine abschlussprüfungen mit links', sagt er. und dann klingelt es in meinem kopf:
abschluss. prüfungen. examen.
angstangstangst.
wie gerne, wie unfassbar gerne hätte ich etwas, das mir die angst nimmt. das meine konzentrationsfähigkeit erhöht, mir hilft, das maximum aus mir herauszuholen. und wenn ich's mir recht überlege: habe ich mich nicht schon vor einem halben jahr gefragt, weshalb in der bibliothek so viele studenten sitzen, die sich nebenher irgendwelche 'medikamente' einwerfen, als wären es schokolinsen? und habe ich mich nicht damals schon gewundert, wie diese mädchen-lernclique es schafft, von acht uhr morgens bis neun uhr abends durchgehend am tisch zu sitzen und konzentriert zu arbeiten; ohne mittagspause, ohne essen; unterbrochen nur von regelmäßigen und seltsam erfrischend wirkenden besuchen auf der toilette? vielleicht tun es ja wirklich alle und ich bin einfach nur dumm, wenn ich darauf verzichte, mir bei meinen prüfungen von einem schlichten weißen pulver unter die arme greifen zu lassen, das ja auch noch 'richtig gute qualität' hat.

dann stehe ich doch auf, ziehe meine jacke an, nehme meine tasche und gehe. lasse c. und die lines auf dem frühstücksbrettchen zurück.
und wenige minuten später sitze am ort des geschehens in einer küche mit anderen, nüchternen menschen, die mir raten, c. zur zeit besser nicht immer allzu ernst zu nehmen. 'er steht sehr unter druck', sagt man mir. und erst, nachdem ich zum dritten mal nachbohre, erklärt man mir hinter vorgehaltener hand: 'er hat in zwei wochen eine prüfung, die darüber entscheiden wird, ob er sein studium weiterführen kann oder nicht. und eigentlich ist klar, dass er nicht bestehen wird, weil er es nicht schafft, dafür zu lernen'.