Samstag, 30. Mai 2009

dann melde ich mich doch, und zwar absichtlich und ohne schlechtes gewissen aus purem eigennutz: der mann ist für ein paar tage mit freunden weggefahren und bei seiner rückkehr möchte ich ihn damit überraschen, ein paar dinge in der wohnung gemacht zu haben, die seit unserem zusammenzug auf erledigung warten. bilder aufhängen, ein paar dinge schöner machen, einen diy- arbeitstisch für die küche bauen. für letzteres brauche ich allerhand sperrige dinge und jemanden, der ein auto hat und sie mit mir besorgen fährt. also melde ich mich.
da das baby gerade eben nicht mehr in seinen auto- kindersitz passt, muss ich es im carrier mit auf die rückbank nehmen. beim einsteigen in den dreitürer der startschuss für das übliche programm: "dann guck mal, wie de da hinten rinnkommst mit deinem brauereipferdearsch!" - ich ignoriere. während der fahrt belehrt mein vater mich über die nutzlosigkeit meines vorhabens, erklärt mir, was ich angeblich alles nicht bedacht habe und fragt allen ernstes, ob ich auch die erlaubnis des mannes habe, eigenständig geld auszugeben. fuck off, denke ich, und ignoriere.
am zielort angekommen durchstreifen wir die hallen auf der suche nach den dingen, die ich brauche. mein vater informiert mich über die hässlichkeit, die das endergebnis meiner bemühungen aufweisen wird, über seine instabilität, seinen nachkriegsimprovisationscharakter. er unterbreitet mir etwa neun alternativvorschläge; bei jedem davon überhört er aufs neue, was ich ihm zur ablehnung des jeweils letzten gesagt habe. erwähne ich, dass etwas von den maßen nicht passt, fragt er mich bellend und mit hochgezogenen augenbrauen, ob ich denn überhaupt richtig gemessen habe, ob der zollstock dabei auch gerade aufgelegen habe, ob ich fensterbank/ fußleiste/ das vorhandensein einer tür bedacht habe. alles rhetorische fragen; antworten sinnlos, für ihn ist eh klar, dass ich für all dies zu blöd war. ich versuche, mich auf die auswahl der arbeitsplatte zu konzentrieren und ignoriere.
ich brauche eine information von einem der hier angestellten und reihe mich in die kurze schlage vor dem servicestand ein. währenddessen durchstreift mein vater weitere ecken der halle, winkt mich zwei mal mit einer grobmotorischen geste des ganzen arms herbei. mich mit meinem namen ansprechen konnte er noch nie. beide male möchte er mir irgendeinen krempel zeigen, der angeblich sowieso viel besser wäre als das, was ich mir ausgedacht habe. als er es ein drittes mal tun will, fauche ich ihn an: "ich hätte hier schon zweimal drankommen können, jetzt wartest du mal!". ein typisches "mach nicht so blöd!" ist die antwort, inklusive zweidrei wohl nur für mich erkennbarer veränderungen in seiner körperhaltung; instinktiv zucke ich zusammen, ein reflex schließt meine augen und will mich ducken. eine sache von sekundenbruchteilen, bis mir einfällt: das ist vorbei, das wird er nicht mehr tun, und schon gar nicht hier, vor allen leuten und wo ich ein baby umgeschnallt trage.
kurz darauf suchen wir ein bestimmtes ding; als mein vater einige meter hinter mir glaubt, es gefunden zu haben, pfeift er mich herbei. kein fröhliches vögelchen- pfeifen mit gespitzten lippen, sondern die sorte pfeifen, die man etwa für einen hund anwendet. einmal, zweimal höre ich das pfeifen; drehe mich um, mein vater pfeift ein drittes mal und macht mit dem kopf eine plötzliche bewegung, die mir bedeuten soll "komm ran hier". mich mit meinem namen ansprechen konnte er noch nie. ich werde kurz wütend. "ich habe auch einen namen!" rufe ich durch die halle, und, im herangehen: "ich bin kein hund!". mein vater fuchtelt mit den gesuchten dingern herum, beginnt einen weiteren lehrvortrag und ignoriert.
wir warten in der kassenschlange und schweigen uns an. dann sagt mein vater: "und das willst du alleine hinkriegen? mit sägen und allem drumm und dran? schaffste nicht." klar, schaffe ich nicht. ich, die dumme, unfähige versagertochter. ich schaffe nie irgendwas.
wir zahlen, fahren nach hause, schleppen den krempel nach oben, ich bedanke mich artig und bin froh, als mein vater endlich weg ist. ich versorge das baby und räume die werkzeuge herbei, die ich brauchen werde. bohrmaschine, akkuschrauber, stichsäge, fuchsschwanz, schraubenschlüssel. ich räume die küche aus, putze freigeräumte flächen, fange an, die ersten teile probezumontieren. "schaffste nicht, schaffste nicht!", hallt es in meinem kopf wider. ich gehe die einzelnen arbeitsschritte durch und frage mich tatsächlich, wie ich das alles schaffen will. lasse mehrere male hintereinander den schraubenschlüssel fallen, stoße mir beim aufstehen den kopf an der tischplatte, klemme mir beim verschieben der 30 kilo schweren arbeitsplatte einen finger ein. "schaffste nicht, schaffste nicht!", triumphiert das echo. ich überblicke das chaos an holzteilen, arbeitsgeräten und einer vollkommen chaotisch durcheinandergeräumten küche und sacke innerlich zusammen. "schaffste nicht, schaffste nicht!", macht es wieder, und an der inneren weggabelung zwischen verzweiflung und ehrgeiz wähle ich aus irgendeinem grund letzteren. und ignoriere.