Montag, 16. November 2009

exakt einen tag nachdem ich für meinen vater das weihnachtsgeschenk gefunden habe, nach dem ich alles in allem 10 jahre gesucht habe, schlägt er per mail vor, die schenkerei ab jetzt doch einfach zu lassen. schade, denke ich, aber klar, für ihn wäre es eine erleichterung. ich antworte, wir könnten das gerne ab nächstem jahr so handhaben, aber für dieses jahr hätte ich schon ein weihnachtsgeschenk für ihn. ich überlege, was ich mir von ihm wünsche. es wird das letzte geschenk sein, das ich von meinem vater erhalten werde, also muss es etwas besonderes sein. mein blick fällt auf ein uraltes angelaufenes stück silber an meiner pinnwand, die ruine eines rings, den er mir (auf meinen wunsch) weihnachten 1994 schenkte.
ein schöner, auffällig strukturierter silberring mit einem ovalen bernstein, den ich in einem schaufenster gesehen hatte. ich instruierte meinen vater, der im bezug auf geschenke immer dankbar war für direkte anweisungen, mir genau den zu kaufen.
dieser ring hat mich von da an am mittelfinger der linken hand getragen überall hin begleitet. er war dabei, als ich ein gutes halbes jahr nach diesem weihnachtsfest von zuhause ausriss, ich trug ihn trotz seiner mangelnden street & punkrock credibility auch während der drei monate, die ich obdachlos als straßenkind in hamburg und bremen verbrachte. ich blich mir mit scharfem putzmittel flecken in die jeans, ich schor meine haare, ich steckte mir ein klappmesser in den stiefelschaft, ich versteckte mich vor der polizei. aber den ring behielt ich an, obwohl er im kontrast zu alldem geradezu lächerlich mädchenhaft aussah. der ring blieb an meinem finger, jeden tag, auch während der folgenden jahre im heim. während ich auf das abi hinarbeitete, brach die ringschiene, kurz darauf löste sich der bernstein. ich klebte ihn mit sekundenkleber fest, er löste sich wieder und war weg. trauer.
seitdem hat mich der ring weiter begleitet, nicht mehr an meinem finger, sondern sorgsam aufbewahrt immer mit dem wunsch, ihn irgendwann reparieren zu lassen.
es gibt vielleicht keine bessere gelegenheit dafür als jetzt, im rahmen des letzten geschenks, dass ich von meinem vater erhalten werde.
von ein paar tagen habe ich den ring dort abgegeben, wo wir unsere eheringe haben machen lassen. in gute hände. die gebrochene ringschiene wird repariert und verstärkt werden; den platz des bernsteins wird ein labradorit einnehmen. ein paar wenige gramm in allen farben schillernder natrium-/ calciumfeldspat, die, wie ich später nachlas, bei der verarbeitung von schlechten erinnerungen und traumata hilfreich sein sollen.