Sonntag, 17. April 2011

containern.

auf twitter und flickr habe ich neulich erzählt, dass ich containern war. es gab einige reaktionen dazu, viele wollten wissen, wie ich das gemacht habe, wie es war etc. eine davon ist @_blumenpost. sie schreibt:


...wollte ich dich fragen ob du noch mehr zum Thema Containern schreiben könntest. Bei Twitter hattest du kurz davon erzählt und das fand ich richtig spannend.
Du sagtest du hättest deine Kinder mitgenommen, wie hast du das organisatorisch gemacht? Und was hast du deinem größeren Sohn darüber erzählt (soweit er das schon versteht was ihr da macht)?



für die antwort muss ich etwas weiter ausholen.

neulich schrieb ich mal was über ein paar, das ich des öftern beim containern im müllbehälter vor dem biosupermarkt meiner wahl treffe. dieses paar und überhaupt die ganze sache mit dem containern beschäftigt mich weiterhin. neulich habe ich zum ersten mal selbst (mit-)containert.

oft wird davon ausgegangen, dass wohl nur die im müll nach essen suchen, die zu wenig geld haben, um es sich in ausreichender menge oder vielfalt kaufen zu können. dem ist nicht so. containern hat nichts mit armut oder geiz zu tun, sondern ist teil einer lebenseinstellung und/ oder einer politischen überzeugung. deshalb eins vorweg: auch meine container- premiere hat nichts mit finanzieller knappheit zu tun. aber viele dinge, die in verschiedensten bereichen der lebensmittelproduktion ablaufen, treffen bei mir einen nerv, machen mich wütend. das reicht von den umständen rund um die produktion tierischer lebensmittel über genfood, bis zu deklarationsschwindel und transportproblematik. und spätestens, seit ich "frisch auf den müll" gesehen habe, lässt mich auch nicht mehr los, in welchen mengen einwandfreie lebensmittel im müll landen.

neulich ergab es sich, dass ich mit den kindern auf dem weg zu einem termin vorher noch kurz einkaufen gehen wollte. wir waren ein paar minuten zu früh dran und mussten gemeinsam mit anderen leuten auf die öffnung der ladentür warten. drinnen war das personal schon mit dem aussortieren und auffüllen der waren beschäftigt. auch besagtes containerpärchen befand sich unter den wartenden. es hat mich einigen mut gekostet, aber schließlich habe ich die beiden angesprochen. über das sich anschließende gespräch, in dem sie mir einiges über ihre motivation, aber auch über ihre vorgehensweise und ihre "tricks" preisgaben, will ich hier nichts verraten. aber sie luden mich ein, doch mal "mit in die tonne zu gucken". ich nahm an.

kurz nach ladenöffnung kamen zwei mitarbeiter heraus und luden scheu um sich guckend (der container befindet sich unmittelbar vor dem laden, direkt an der straße, so dass jeder sehen kann, was dort weggeworfen wird) zwei kisten zeug in den container. nickten dem paar, ich nehme an, man kennt sich, mit strengem gesichtsausdruck zu, und verschwanden wieder. dann ging es ans werk.

um ehrlich zu sein, habe ich selbst gar nicht so viel containert, sondern war eher nutznießerin. ich habe einmal kurz in die tonne geguckt, mich aber nicht getraut, mich länger richtig reinzulehnen, weil ich so zwangsweise meinen kinderwagen mit dem großen sohn auf dem buggyboard aus dem blick verlor. wie bereits gesagt, steht der müllcontainer unmittelbar an einer stark befahrenen straße mit 2 autospuren und 2 straßenbahngleisen und da ist so ein zweieinhalbjähriger unter umständen schneller vom buggyboard abgestiegen und vor irgendwas gefährliches gerannt, als ich aus der mülltonne rauskomme. außerdem gab es auch ein, zwei recht krasse reaktionen von passanten, als sie mich mit kindern im müll wühlen sahen. eine frau wendete sich mit der hand vor dem vor entsetzen aufgerissenen mund ab und lief zügig weg. als hätte sie eine leiche gesehen oder einen exhibitionisten. ich habe absolut kein problem damit, in der öffentlichkeit im müll zu wühlen. ob ich es, sollte ich das nochmal oder irgendwann gar regelmäßig tun, okay finde, meine kinder mitzunehmen, weiß ich noch nicht. daran zweifle ich weniger wegen der kinder selbst- ich denke, wenn sie ein bisschen größer sind, kann ich ihnen gut klarmachen, worum es beim containern geht und warum ich das gut finde. und dann können sie auch selbst entscheiden, ob sie mitgehen möchten oder nicht. es geht mir mehr um die reaktionen, die es provozieren könnte, wenn sie dabei sind. vor allem, so lange sie noch so klein sind. man kann nicht mit jedem, der uns sieht, eine klärende diskussion führen und ich möchte nicht, dass irgendwer denkt, meinen kindern gehe es schlecht oder ich würde sie instrumentalisieren.

aber zurück zu meinem kleinen beutezug: jedenfalls habe ich dann das pärchen containern lassen und die sachen, die sie aus der tonne holten, angenommen und gemeinsam mit dem großen sohn am rande des gehwegs vorsortiert.
es gab jede menge verschiedenes gemüse, ein paar netze zitronen, etwa 7 oder 8 tüten büffelmozzarella, äpfel, birnen, joghurt. ich sortierte tatsächlich verdorbenes gemüse grob aus (musste dann zuhause nochmal genauer sortieren) aus und räumte das noch gut erhaltene in drei pappkisten. am ende teilten wir auf. meine beute sah so aus:

dumpster diving.


nicht im bild: cherrytomaten, die gerade zum waschen an der spüle lagen und die ich vergessen habe, aufs bild zu legen. als ich den rucksack wegpacken wollte, fand ich in der netztasche außen noch eine avocado und ein päckchen kresse.
am salat waren untenrum vier matschige blätter dran. am spargel konnte ich außer der zerrissenen verpackung nichts entdecken. in dem netz zitronen war eine schimmlig. der mozzarella war 2 tage vor ablaufdatum. bei den bohnen waren ein paar wenige drin, die braune stellen hatten oder schimmlig waren, bei den tomaten genauso. die avocado war einfach nur sehr reif und das kressepäckchen zu 1/3 vertrocknet, der rest aber noch total in ordnung.

insgesamt konnten wir davon zwei mal sehr gut und reichlich mittagessen.

ich würde das tatsächlich gerne öfter machen. aber dass so ein container direkt an einer straße steht (und nicht in einem videoüberwachten und gut abgesicherten hinterhof, auf dem alle 30 minuten ein scharf behundeter wachmann vorbeikommt) und das personal das containern einfach so duldet, ist eine echte seltenheit. würde ich das also ausbauen wollen, müsste ich vermutlich auch an der grenze der kriminalität kratzen und mir abends in der dämmerung vermummt zugang zu den supermarktcontainern beschaffen (hausfriedensbruch). die container aufbrechen (sachbeschädigung), das zeug rausklauben und dann schnell wieder abhauen. das ist eigentlich nichts, was man gut alleine machen kann. ganz gute einblicke in diese üblichere form des containerns kann man auf der anarchopedia- seite dazu bekommen. manche tipps, die quasi konkrete anleitungen zum indirekten ladendiebstahl darstellen, gehen mir aber zu weit. das würde ich nicht tun.
als alternativ könnte ich mir vorstellen, eine vereinbarung mit unserem kleinen bioladen hier zu treffen. wir kaufen 90% unserer lebensmittel dort. ich könnte fragen, ob ich mir aus den eigentlich für den müll bestimmten waren sachen heraussuchen und sie für einen symbolischen preis mitnehmen darf.

außerdem ganz interessant: das container-blog (seit 2 jahren kein update mehr, aber spannend und aufschlussreich durchzublättern ist es trotzdem) und dumpstern.de